Bobath

Das Bobath-Konzept wird von Therapeutinnen und Therapeuten der Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie sowie von Ärzten und Ärztinnen und Pflegepersonal, optimalerweise in berufsübergreifender Zusammenarbeit angewandt. Eingesetzt wird das Bobath-Konzept in der Behandlung von Säuglingen, Kindern und Erwachsenen mit zerebralen Bewegungsstörungen, sensomotorischen Störungen und neuromuskulären Erkrankungen wie Schlaganfall, Multipler Sklerose, intrazerebraler Blutung, Schädel-Hirn-Trauma, Erkrankungen des Rückenmarks, Enzephalitis, Hirntumoren, Morbus Parkinson und peripheren Nervenschädigungen.

Zunächst wurden nur Säuglinge und Kinder mit angeborenen Bewegungsstörungen (Kinder mit Zerebralparese) „nach Bobath“ behandelt. Das Konzept fußt auf dem Verständnis für die Entwicklungsphysiologie und auf der Neurophysiologie. In den 1960er Jahren wurde das Konzept auf die Pflege und Therapie erwachsener Patienten ausgedehnt. Heute stellt es das erfolgreichste und weltweit anerkannte Behandlungskonzept für Menschen mit Bewegungsstörung infolge einer neurologischen Erkrankung dar.

Patienten mit Hirnschäden und zentralen Lähmungen galten noch vor einigen Jahren als Pflegefälle. Durch gezielte pflegerische und therapeutische Maßnahmen können sie heute durchaus erfolgreich rehabilitiert werden.

Die Erkrankung, bei der das Bobath-Konzept am häufigsten angewandt wird, ist der apoplektische Insult bzw. der Schlaganfall (Hirninfarkt), der mit einer Halbseitenlähmung (Hemiplegie) einhergeht oder die verschiedenen Erscheinungsbilder Cerebral Parese sowie Erkrankungen mit verschiedenen hypotonen Erscheinungsformen wie der spinalen Muskelatrophie.

Die Zahl der Patienten mit ischämischen (durch Minderdurchblutung bedingten) Insulten (Anfällen), die die akute Phase des Krankheitsgeschehens überleben, nimmt in den letzten Jahren erheblich zu. Sofortiges Einsetzen der Bobath-Therapie und veränderte Gestaltung der Krankenpflege nach dem Bobath-Konzept verbessern die weiteren Aussichten dieser Patienten im Hinblick auf Selbstständigkeit und Unabhängigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL).

Ziel, Aufgaben

Das Ziel des Bobath-Konzepts ergibt sich aus der gemeinsamen Zielvereinbarung des Patienten und der betreuenden Personen (Therapeuten, Ärzten, Pflegenden). Allgemeines Ziel ist die größtmögliche Selbstständigkeit, Eigenaktivität und Handlungsfähigkeit des Patienten im Alltag unter der Berücksichtigung und Analyse der motorischen Kompetenzen. Dabei analysiert der Therapeut, Arzt und/oder Pflegende die Probleme in der Handlungsausführung und der Bewegungsausführung. Dabei spielen die Kenntnisse aus der Entwicklungsneurologie, Bewegungsanalyse und anderen Bezugswissenschaften wie Pädagogik oder Psychologie eine wichtige Rolle.

Zielführend und wesentlicher Bestandteil der Arbeit nach und mit dem Bobath-Konzept ist die individuelle Umfeldgestaltung des Patienten, so dass dieser die Handlungs- und Bewegungsziele erreichen kann. Dazu zählt auch die Beratung und Erprobung von Hilfsmitteln wie Rollstühlen oder Orthesen in der Benutzung und Handhabung.

Heute wird das Bobath-Konzept von allen einschlägig befassten Berufsgruppen der Medizin angewandt. Es werden Säuglinge, Kinder und Erwachsene behandelt. In entsprechenden Einrichtungen bestehen ganze Teams inkl. Ärzte, Therapeuten und Pflegepersonal, die das Konzept aufgegriffen haben und versuchen, es ganzheitlich im 24-Stunden-Management zu betreiben.

Übergeordnete Ziele

  • Die Fähigkeiten und Kompetenzen des Patienten zu erkennen und somit die größtmögliche Selbständigkeit bzw. Entwicklungsmöglichkeit zu erreichen, um die Teilhabe und Aktivität in seinem sozialen Umfeld zu fördern.
  • Die Fähigkeit zum Erlernen oder Wiedererlernen von Bewegungskompetenzen im Sinne des motorischen Lernens unter Berücksichtigung aller Ebenen der Körperfunktionen und Körperstrukturen (Bsp.: die Wahrnehmungsfunktionen)
  • Vermeidung von Sekundärveränderungen, wie z. B. Gelenkversteifungen

Vorteile für den Patienten

Mit dem Bobath-Konzept soll im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden keine notdürftige Kompensation der Lähmungen, sondern das Wiedererlernen normaler Bewegungsfähigkeiten erreicht werden. Intensive Mitarbeit des Patienten vorausgesetzt, wird er wieder selbstständiger in den Aktivitäten des täglichen Lebens. Dauernde Pflegebedürftigkeit, Abhängigkeit von fremder Hilfe und Unterbringung im Pflegeheim können so in vielen Fällen verhindert werden. Der frühzeitige Einsatz von Therapie und Pflege nach dem Bobath-Konzept schon auf der Intensivstation kann negative Entwicklungen wie die Ausbildung von Spastik und das Erlernen unphysiologischer Bewegungsabläufe zu vermindern oder zu vermeiden helfen. Die fortgesetzte Anwendung der Prinzipien des Bobath-Konzeptes bewirkt für alle Patienten bessere Erfolgsaussichten in der weiteren Rehabilitation.

Teamverantwortung für Pflege und Therapie

Das Bobath-Konzept ist ein 24-Stunden-Konzept. Da das Gehirn immer lernt, müssen die Lernangebote ständig richtig gestaltet werden, um fehlerhafte Lernprozesse zu vermeiden. Der Lernprozess nach dem Bobath-Konzept findet somit nicht nur während zeitlich begrenzter Therapieeinheiten statt, sondern ist ständiger Bestandteil des gesamten Tagesablaufes. Dazu ist es erforderlich, dass sich jeder, der mit dem Patienten Kontakt hat, nach den beiden Prinzipien des Bobath-Konzeptes (Regulation des Muskeltonus und Anbahnung physiologischer Bewegung) orientiert. Der Patient selbst, Physiotherapeuten, Pfleger, Ergotherapeuten, Sprachtherapeuten, Ärzte, andere Therapeuten und Angehörige des Patienten orientieren sich im Idealfall an einem gemeinsamen, für den Patienten individuellen Ansatz, um das Lernangebot für das Gehirn so gleichartig und unwidersprüchlich wie möglich zu gestalten.

Pfleger verbringen die meiste Zeit mit dem Patienten. Deshalb übernimmt die Alten- und Krankenpflege im Bobath-Konzept viel Verantwortung; sie wird Bestandteil der Therapie. Es ist daher sehr wichtig, das Pflegepersonal im Bobath-Konzept auszubilden; ein eigener Verband (siehe unten) widmet sich dieser Aufgabe.

Physiotherapeutinnen stellen sich darauf ein, dass sie im Team für jeden Patienten ein individuelles Therapiekonzept zu erstellen haben, das vom behandelnden Arzt nicht vorgegeben werden kann. (Die meisten Ärzte sind im Bobath-Konzept nicht ausgebildet; es werden aber Ärztekurse angeboten, um dieses Manko zu reduzieren.) In der Berufsgruppe der Physiotherapeutinnen sind Information über und Ausbildung im Bobath-Konzept am weitesten verbreitet.

Die enge Zusammenarbeit im therapeutischen Team bezieht den Patienten selbst, Ergotherapeuten, Sprachtherapeuten, andere Therapeuten und Angehörige des Patienten ein. (Viele Ergotherapeutinnen haben Bobath-Kurse absolviert.)

Für alle mit Mobilisation und Handling des Patienten Befassten ist günstig, dass das Bobath-Konzept besonders rückenschonende und körperökonomische Vorgangsweisen ermöglicht: Man orientiert sich an der normalen Bewegung des Menschen und arbeitet ausschließlich mit Zug- und Hebelkräften. Der Patient wird in keinem Fall gehoben.